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Über den Einfluss der "Lindenstraße"
auf die Entwicklung der klassischen
griechischen Tragödien und Mythologien
Erstmals in der Geschichte der deutschsprachigen Literaturwissenschaft
möchte ein Germanist mit einer Arbeit promovieren, deren Ergebnisse
revolutionär sein werden, weil sie den gesamten geistesgeschichtlichen
Kontext der abendländischen Kultur umkrempeln wird. Eric Horn, Student
an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, ist aufgebrochen
um den Nachweis zu erbringen, dass die Lindenstraße das Motiv- und
Stoffgeflecht der gesamten griechischen Mythologie bis hin zu so bekannten
Tragödiendichtern wie Sophokles und Euripides geprägt hat.
Nachdem er sich mehrmals verfahren hatte, traf unser Spügel-Reporter
Stefan Auster diesen Querdenker in seinem Studienzimmer in Erkelenz.
Spügel: |
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Herr Horn, Sie beschäftigen sich in Ihrer Promotion mit dem recht
ungewöhnlichen Thema "Über den Einfluss der »Lindenstraße«
auf die Entwicklung der klassischen griechischen Tragödie und Mythologie".
Wie kommt ein Germanist auf die Idee, sich mit einer solchen Frage zu beschäftigen? |
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Horn: |
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Sehen Sie, wenn man sich - wie ich - die Tortur antut, ein paar Folgen
der Lindenstraße im Fernsehen anzuschauen, und man anschließend
in den Tragödien des Sophokles oder Homers liest, dann muss man früher
oder später auf die Idee kommen, dass dieser sich gnadenlos in der
"Lindenstraße" seine Ideen zusammenklaut. Schließlich ist die
Lindenstraße als Produktion eines öffentlich-rechtlichen Senders
überall unverschlüsselt zu empfangen, weshalb letztlich auch
jeder unkontrollierten Zugriff auf Stoffe und Motive dieser Serie hat. |
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Spügel: |
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Nun gut, auf diese Weise ließe sich also tatsächlich erklären,
wie es zu Plagiaten an der Lindenstraße kommen kann. Aber fragen
wir einmal konkreter: Haben Sie Beispiele, an denen sich der Plagiat, den
sie konkret als Vorwurfe erheben, belegen ließe? |
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Horn: |
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Natürlich! Nehmen wir doch nur einmal Ödipus. Nur einem Blinden
kann verborgen bleiben, dass Sophokles seinen Ödipus voll und ganz
aus der Figur des Bennie Beimers geschöpft hat. |
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Spügel: |
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Aber Bennie Beimer ist tot ... |
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Horn: |
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Da sehen sie es: Ödipus doch auch. |
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Spügel: |
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Und das veranlasst Sie, eine Parallele zwischen Ödipus und Bennie
Beimer zu sehen? |
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Horn: |
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Natürlich können wir nicht bei diesem Schritt stehen bleiben.
Diese recht oberflächliche Parallelität kann höchstens unser
Interesse gefangen nehmen, kann unsere Aufmerksamkeit auf diese Konstellation
lenken - aber Sie vermuten schon ganz richtig: Das kann natürlich
nicht die ganze Begründung für meine These sein, dass Ödipus
im tiefsten Grunde seines Wesens ein echter Bennie Beimer ist. Verbleiben
wir noch einen Moment beim Element des Todes, das wesentlich stärker
die Bennie Beimer'schen Züge des Ödipus aufweist, als es auf
dem ersten Blick scheint. Bennie Beimer stirbt bei der Hochzeit seiner
Mutter - beziehungsweise im Reisebus auf dem Weg dorthin. Auch der Tod
Ödipus' hat etwas mit einer Hochzeit zu tun, denn er ist das letztendliche
Ergebnis des Umstandes, dass Ödipus seine eigene Mutter geheiratet
hat. Auf dem ersten Blick erscheint hier aber ein Widerspruch, denn wer
geht schon davon aus, dass Bennie seine eigene Mutter heiraten wollte?
Aber verlassen wir einmal die ausgetretenen Pfade der Vorurteile und des
Halbwissens: Was macht uns eigentlich so sicher, dass er es nicht doch
wollte? Analysiert man die Persönlichkeit des Bennie Beimers, so stellt
man unweigerlich fest, dass er in Wirklichkeit - wenn er nur die Chance
dazu gehabt hätte - seine Mutter vom Traualtar weg entführt und
heimlich in einer kleinen Kapelle selbst geehelicht hätte. Das hätte
uns zumindest eine weitere Person mit dem Namen Schiller erspart, die mit
Sicherheit keine Zierde für den Namen unseres großen Poëten
ist. - Aber ich schwenke ab: Der Zorn der Götter traf die beiden Söhne,
hier wie dort. Nur mit dem Unterschied, dass die allmächtigen Götter
Bennie schon im Voraus an seinem schändlichen Vorhaben hinderten,
während Ödipus' Tod die Strafe der Götter im nachhinein
darstellt. Entweder scheint Sophokles da ganz einfach etwas durcheinandergebracht
zu haben, oder wir müssen von einem Götterbild Sophokles' ausgehen,
das es ganz einfach nicht zulässt, dass Götter sich in die Belange
der Menschen einmischen könnten. Sophokles wollte gerade einen Gegensatz
bilden zur fatalistischen Haltung Geissendörfers: Für Sophokles
stellt der menschliche Wille eine Bastion vollkommener Freiheit und insofern
absoluter Verschlossenheit gegenüber jedweden Zugriff der Götter
dar. Es wäre für Sophokles unerträglich, wenn der Mensch
nicht zumindest die Möglichkeit hätte, seine Verbrechen zu planen
und auszuführen, ehe ihn dann das wohlweißliche Schicksal in
Form göttlicher Rache trifft. Diese ist ihm sicher, aber erst nach
der Tat. Schließlich sind die Götter - wenn ich polemisch sein
darf - keine UN-Friedenstruppen, die präventiv eingreifen. Man sieht
also, dass sich diese kleine Abwandlung des Todesmotivs durchaus sinnvoll
erklären lässt. |
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Spügel: |
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Ah ja ... Diese These hat sichtlich etwas für sich! Aber es könnte
immerhin ein Einzelfall sein. |
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Horn: |
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Wieder so ein Dilettant, der die Richtigkeit einer These quantifizieren
möchte. Aber nichts dagegen. Wenn man genau hinschaut, sieht man tausende
solcher scheinbar zufälligen Übereinstimmungen. Nehmen wir das
Beispiel des Gottlieb Griese. Ich gehe davon aus, dass er Pate stand für
Homers Verse um Odysseus. War es bei Gottlieb der Kampf mit Berta, der
ihn dazu brachte, ein Boot zu besteigen und auf den Weltmeeren umherzuirren,
so wird aus dem Kampf mit Berta bei Homer der Kampf um Troja, was ja nicht
ganz so weit auseinanderliegt. |
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Spügel: |
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Ach tatsächlich? |
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Horn: |
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Ja, in der Tat. Nebenbei endet Troja - genau wie Berta - auf 'a'. Wahrscheinlich
war Homer nicht die deutsche Sprache geläufig, weshalb er auch nicht
verstanden hat, dass es sich bei Berta nicht um eine Stadt, sondern um
eine Person handelte. Aber ansonsten können wir viele Parallelen finden.
Nehmen wir zum Beispiel Homers Schilderung der Eroberung Trojas mit Hilfe
des hölzernen Pferdes. Mal ganz davon abgesehen, dass auch Berta oftmals
extrem hölzern wirkt, wird die Idee des Pferdes wohl vom Gebiss der
lieben Berta abgeleitet sein. Und kein Wunder, wenn ein Mann bei einer
solchen Frau aufs Meer flieht - hier Gottlieb, in der Adaption von Homer
dann Odysseus. Zudem entspinnt sich der Trojanische Krieg um eine Frau,
die geraubte Helene. Dies kann man ganz leicht von Gottliebs Liebe zum
Meer ableiten; denn lehren uns nicht die alte Sprüche, dass die Braut
des Seemannes das Meer ist? Tja, da staunen sie, nicht wahr? Es sind doch
immer die Frauen, um die wir Männer kämpfen ... |
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Spügel: |
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Na, hoffentlich liest Alice Schwarzer das nicht! |
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Horn: |
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Na, und das gesamte Setting der Homerischen Epen ist doch nur dadurch
erklärbar, dass Homer sich bewusst von der Lindenstraße und
damit von Deutschland absetzen wollte. Wahrscheinlich die Familie Sarikakis
hat ihn dann dazu veranlasst, die Handlung seiner Epen in den griechischen
Raum zu verlegen. Allerdings bleibe ich an diesem Punkt zugegebener Maßen
im Bereich der Spekulation stecken. Es könnte ebenso gut sein, dass
er einfach nur ein Liebhaber der griechischen Küche ist, vollkommen
unabhängig von dem Umstand, dass auch Familie Sarikakis ein entsprechendes
Restaurant betreibt. Dies ist an sich der schwierigste Punkt in meiner
gesamten Forschungsarbeit: das Sondieren zwischen realen Entlehnungen und
zufälligen Übereinstimmungen. Schließlich möchte ich
mit meiner Arbeit den griechischen Tragödienschreibern keineswegs
vorwerfen, über keine Eigenkreativität zu verfügen. In diesem
Sinne muss jedes noch so kleine Detail genauestens auf die Goldwaage gelegt
werden, damit man wirklich mit Fug und Recht ausrufen kann: "Ecce, omni
furtivi sunt!" ["Seht her, das ist alles nur geklaut!" - Anm. d. Red.] |
Auszug aus einem Interview des Spügels, Heft 8/1998, Seite
189-190. Abdruck mit freundliche Genehmigung des Axel-Spring-ins-Feld-Verlags.
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